Kennen Sie die Unterschiede im Lehrplan eines schweizerischen und englischen Kindergartens?
Bei dem Wort «Kindergarten» denkt man in unterschiedlichen Ländern der Welt an ganz verschiedene Dinge. Für Menschen aus der Schweiz ist der Kindergarten ein sehr gemeinschaftlicher Ort. Im Laufe von zwei Jahren kreieren Lehrkräfte eine Umgebung für Kinder, in der sie ihre persönliche, soziale und emotionale Entwicklung stärken können. Sie arbeiten hart daran, dass jedes Kind in ihrer Obhut Vertrauen und Sicherheit in seine Fähigkeiten ausbildet, sowohl sozial als auch psychisch. Ziel ist es, dass sich die Kinder am Ende ihrer Zeit im Kindergarten der sozialen Dynamik innerhalb ihrer Altersgruppe und ihres eigenen Platzes darin voll und ganz bewusst sind.
Im Gegensatz dazu ist der «Kindergarten» oder «Reception», wie es in England genannt wird, sowohl in der Ausrichtung als auch in den Erwartungen sehr unterschiedlich. So sind Receptions nur ein einjähriges Programm. In dieser Zeit bringen die Lehrkräfte den Kindern die ersten Lese- und Schreibfähigkeiten bei, ebenso wie eine Art grundlegende akademische Kompetenz. Es ist ihnen wichtig sicherzustellen, dass jedes Kind Geschichten lesen und vollständige Sätze schreiben kann. Beginnt die formale Schulzeit, so liegt der Fokus darauf, den Kindern alle schulischen Fähigkeiten beizubringen, damit sie in der Grundschule erfolgreich sind. Am Ende der Reception und zum Start der ersten Klasse können dann alle Kinder lesen und schreiben.
Die Antwort ist, wie so oft, dass beide richtig sind, aber für unterschiedliche Kinder. Manche Kinder wollen unbedingt schon im «reifen» Alter von 4 Jahren lesen und schreiben lernen. Für sie ist es sehr demotivierend, wenn sie noch zwei weitere Jahre warten müssen, bis sie damit endlich starten können. Diese Kinder sind von der Schule gelangweilt, bevor diese überhaupt richtig beginnt. Auf der anderen Seite brauchen viele Kinder in diesem Alter Zeit, um sich auf ihre sozialen Fähigkeiten und ihr Selbstwertgefühl zu konzentrieren und all das wirklich zu entwickeln. Für diese Kinder, deren Motivation aus sozialen oder körperlichen Interaktionen mit ihren Freunden kommt, ist es ein Nachteil, lesen oder schreiben lernen, bevor sie dazu bereit sind.
«Unser Ziel hier im Tandem IMS Kindergarten ist es, beide Erziehungsphilosophien des Kindergartens zusammenzubringen und dies an die Bedürfnisse und Interessen der Kinder anzupassen.»
Lee-Anne Weber, Curriculum Coordinator
Bei Tandem IMS arbeiten unsere Lehrerkräfte zusammen, um den Kindern in ihrer Obhut das Beste aus beiden Welten zu bieten. Dabei haben wir zwei LehrerInnen, die gleichzeitig mit den Kindern arbeiten. Die deutschsprachige Lehrperson nimmt die Schwerpunkte des Schweizer Kindergartens auf und schafft Möglichkeiten für die Kinder, zusammenzuarbeiten und ihre sozialen und emotionalen Fähigkeiten zu entwickeln. Die Kinder werden ermutigt, Konflikte und Probleme zu diskutieren und zu bewältigen. Sie bauen starke Verbindungen zueinander auf und entwickeln Selbstvertrauen sowie Selbstbewusstsein. Während des Sprachunterrichts konzentriert sich der oder die DeutschlehrerIn auf die mündliche deutsche Sprache und ermutigt die Kinder, den verschiedenen Lauten zuzuhören, den Rhythmus und die Verse in der Sprache aufzunehmen.
Den Gegenpol dazu bildet die englische Lehrperson, welche den Fokus auf die Lese- und Schreibfähigkeiten, sowie die akademische Ausbildung legt. Im Laufe der zwei Kindergarten-Jahre (im Unterschied zur einjährigen Reception) führt der oder die EnglischlehrerIn Vorlese- und Frühlese-Fähigkeiten ein. Die Kinder werden ermutigt, aber nicht gezwungen, Buchstaben und Laute zu lernen und diese dann miteinander zu vermischen. Gleichzeitig beginnen sie, in ihrem eigenen Tempo zu lesen. Auf eine unterhaltsame und spielerische Weise wird auch das Schreiben gefördert. Dabei wird eine Vielzahl von Materialien verwendet, um zu lernen, wie man erst Buchstaben und später Wörter bildet. Ohne Druck ist es der englischen Lehrperson auf diese Art möglich, die Aufregung und Motivation für das Lesenlernen zu erfassen und zu fördern, wann immer die Kinder dazu bereit sind.
Im Laufe des Tages kommen beide LehrerInnen zusammen, um die Themenbereiche mit all den verschiedenen erlernten Fähigkeiten (akademisch, körperlich, sozial und emotional) zu besprechen. Ziel ist es, dass sich die Kindergartenkinder erfolgreich und erfüllt in allen Richtungen entwickeln. Nach zwei Jahren sind sie dann bereit für die Herausforderungen der ersten Klasse der Grundschule. Sie sind selbstbewusst, haben Vertrauen in sich und verfügen gleichzeitig über eine gute akademische Basis, um sowohl auf Englisch als auch auf Deutsch Lesen und Schreiben (und vieles mehr) zu lernen.